Für Kleine. Für Große. Fürs Herz.

Endlich zuhause! Ab jetzt heißt es „Warten auf die OP“…

Endlich zuhause!

Nachdem sich der Zustand des kleinen Tigers als sehr stabil gezeigt hat, durften wir zwei Wochen nach der Geburt die Klinik verlassen.

Ich freute mich wahnsinnig auf zuhause, aber man hatte auch Respekt vor dem Alltag mit herzkrankem Kind. Ein komisches Gefühl. Zwei Wochen lang konnte man bei jeder Unregelmäßigkeit jemanden hinzuziehen und alle Unsicherheiten durch Nachfragen klären. So lästig die Monitore bzw. die ständige Kabelage vom Kind zum Monitor auch waren – sie gaben so viel Sicherheit.

Zuhause wusste ich dann auf einmal nicht mehr, wie es dem Herzen geht. Ob weitere Tachykardien auftauchen. Ob sein Ruhepuls nachts okay ist. Anfangs beunruhigte es mich sehr, denn ich hatte Angst, dass ich irgendeine Veränderung oder Verschlechterung nicht früh genug erkennen. Aber mit der Zeit bekam ich mehr und mehr Vertrauen in uns als Team.

Nachts, wenn alles schläft

Am schlimmsten waren weiterhin die Nächte. Nachts musste ich loslassen. Nachts konnte ich seine Atmung nicht kontrollieren. Oft lag ich lang wach und konnte nicht einschlafen. Meistens schlief ich mit einer Hand an seiner Brust oder an seinem Bauch ein. Manchmal schlief ich aber auch gar nicht ein. Kurz bevor der Schlaf kam, überrollten mich immer wieder Panikattacken. Ich hatte eine wahnsinnige Angst vor der OP und eine noch größere Angst, ihn zu verlieren. 

Tagsüber versuchte ich für die Krabbe und den Tiger stark zu sein, abends holte die Angst mich ein. Manchmal lag ich stundenlag mit Herzrasen wach, hatte die schlimmsten Alpträume. Oft nahm ich mir dann den kleinen Tiger und legte ihn mir auf den Bauch, um seinen Atem und seine Wärme zu spüren und um ihm zu sagen, was für ein wunderbares Kind er ist und dass er uns niemals verlassen darf.

Schwitzen, schwitzen, schwitzen,
atmen, atmen, atmen!

Es ging ihm verhältnismäßig gut, aber man konnte merken, dass es mit den Wochen schwerer für ihn wurde. Er fing an, mehr und mehr zu schwitzen. Wenn wir von Schwitzen reden, reden wir nicht von etwas klebriger Haut oder kleinen Schweißperlen auf der Stirn. Wir reden von Wasser, das aus den Haaren läuft. Die Bettlaken waren häufig nass. Unter dem Kopf hatten wir immer extra Mulltücher, die wir manchmal mehrmals pro Nacht wechseln mussten. Aber er schwitzte nicht nur am Kopf. Nach dem Stillen oder wenn er drei Minuten unter dem Spielbogen lag und seine Arme und Beine gestreckt hat, mussten wir die Kleidung manchmal komplett wechseln. Er liebte Bewegung, aber war danach so erschöpft, dass er oft nach kleinen Anstrengungen einschlief.

Was mich besonders stark beunruhigte, war seine Atmung. Er war oft sehr kurzatmig. Besonders nachts. Immer wieder zählte ich, wie viele Atemzüge er pro Minute machte. Manchmal über 80. 80x ein- und 80x ausatmen! Versucht das mal! Ich hab es getan und mir wurde schwindelig. Als würde gar nicht genug Sauerstoff im Hirn ankommen. Ich hab ihn dann oft hochgenommen oder ganz sanft versucht, ihn zu wecken und ihn erst wieder hingelegt, wenn die Atmung sich beruhigt hat.

Puh - ist das anstrengend!

Ich glaube, DAS dachte der Tiger häufig, wenn es ums Stillen ging. Das Stillen war so anstrengend für ihn, dass er wahnsinnig stark schwitzte und regelmäßig dabei einschlief. Deshalb stillte ich zwar, pumpte aber auch mehrmals am Tag ab und fütterte so per Flasche zu. Seine Gewichtszunahme verlangsamte sich trotzdem. Das Stillen verbrauchte scheinbar fast mehr Energie und Kalorien als die getrunkene Milch in sich hatte. Also sollte ich ihn weniger stillen und noch mehr mit der Flasche füttern, am besten mit etwas größeren Löchern, so dass er ohne große Anstrengung Kalorien zu sich nahm. 

Aber auch das brachte nicht den wirklich großen Erfolg. Mit vier Monaten sprach der Kinderarzt das erste Mal den Beginn der Beikost an. Beikost? Jetzt schon? Unsere Krabbe wollte erst mit über sieben Monaten überhaupt mal probieren und jetzt sollten wir mit vier Monaten schon zufüttern? Fand ich irgendwie merkwürdig. Zwei Wochen versuchten wir weiterhin das Gewicht durch noch mehr Flaschen in die Höhe zu treiben, dann starteten wir tatsächlich mit den ersten Karotten. Und: er fand es großartig! 

Dass uns das in wenigen Wochen noch in die Karten spielen würde, damit haben wir zu dem Zeitpunkt nicht gerettet. 

Hallo Krankenhaus - da sind wir wieder

Als er etwa 7 Wochen alt war, war er eines Morgens total verändert. Er war schlapp, lag  eher teilnahmslos auf seiner Decke und schaute apathisch aus dem Fenster. Sein Herz raste und er war wahnsinnig kurzatmig. Unser Pulsoxi zeigte zwar an, dass die Sauerstoffsättigung mit 97% gut war, aber trotzdem war ich total beunruhigt, packte unsere Sachen und fuhr zum Kinderarzt. Der ertastete eine leicht vergrößerte Milz und Leber, die Herzfrequenz war auch in Ruhe immer über 160 und die Teilnahmslosigkeit fiel ihm auch auf. Es war Freitagmittag. Er gab uns direkt eine Einweisung fürs Krankenhaus mit und rief dort schon mal an, um uns anzukündigen. Also ab ins Krankenhaus. Gut, an nem Freitag Nachmittag und am Wochenende passiert da jetzt auch nicht mehr soooo viel. Die Blutwerte erschienen normal,  aber man behielt uns zur Beobachtung dort.  

Am Sonntag wirkte er etwas weniger apathisch, aber immer noch sehr schlapp und angestrengt. Montag Abend konnte man auf einmal Entzündungswerte nachweisen, die auf eine Erkältung hinwiesen. Nachts bekam er Schnupfen. Dienstag wurden wir entlassen, denn außer einem leichten Schnupfen war er wieder unser kleiner Tiger. In den nächsten Tagen schnupfte und hustete er leicht vor sich hin, dann war der Spuk vorbei. 

Das hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie viel anstrengender der Kampf gegen einen Infekt für Herzkinder ist. Manche fanden es übertrieben, dass wir die Krabbe aus der Kita genommen haben, weil sie so wahnsinnig viele Infekte mit nach Hause schleppte. Also wirklich viele Infekte. Manche schüttelte sie selbst ab und gab sie direkt an uns weiter. Ich glaube, viele Eltern kennen diese hartnäckige 7-wöchige Erkältung mit hohem Fieber und langwierigem Husten, die einen im ersten Kitawinter erwischt. Das wollten wir vermeiden. Für den Tiger wollten wir ein möglichst infektfreies Umfeld schaffen wollten. Vielleicht war es übertrieben, die Kita zu meiden. Für uns fühlte es sich trotzdem richtig an. Vor allem jetzt.

Die Zeit ist gekommen...

Bis zur OP gingen wir alle 3-4 Wochen zur Kontrolle in die kardiologische Ambulanz unserer Klinik. Man war weiterhin mit dem Zustand des Tigers sehr zufrieden. Er hatte keine zyanotischen Anfälle. Er wuchs und wuchs. Die Gewichtszunahme verlangsamte sich, aber immerhin nahm er noch zu. Er hatte Appetit und war ein wirklich aufgewecktes Kind (was die Gene halt so mitbringen ;)…). Entwicklungstechnisch war er motorisch und kognitiv da, wo er sein sollte. 

 

Dennoch: mit den Wochen merkten wir, dass es anstrengender für den kleinen Tiger wurde. Und dabei „machte“ er ja im eigentlichen Sinne noch nicht so wirklich viel. Ein bisschen Bewegung oder Essen ließen ihn schwitzen und machten ihn müde. Wenn er schrie, schrie er nie sonderlich lang, sondern schlief stattdessen vor Erschöpfung ein. Grundsätzlich natürlich ein angenehmer Nebeneffekt, aber wenn man weiß, warum, dann würde man lieber mehr Geschrei in Kauf nehmen. Irgendwann wussten wir, es wird nicht mehr lang dauern. Die Zeit für die OP ist da.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert