Nachdem der OP-Termin kurzfristig noch einmal um zwei Tage verschoben worden war, spielten die Emotionen verrückt. Am Sonntag wurde die kleine Krabbe von den Großeltern abgeholt. Sie freute sich riesig auf ihren Urlaub. Es gab zwar zum Abschied ein paar Tränen, aber schon an der nächsten Ecke überwog wohl die Vorfreude und sie plapperte munter drauf los. Wie beruhigend. Aber es war hart. Zu der Angst um den Tiger kam die Sehnsucht nach der Krabbe, von der ich bisher nur zur Geburt des Tigers getrennt war. Aber es ging nicht anders.
Am Montag sog ich die Zeit mit dem Tiger in mir auf. Ich machte Fotos, Fotos, Fotos. Von ihm, aber auch von seiner „unversehrten“ Brust, denn ich bildete mir ein, dass er irgendwann sicherlich unbedingt sehen möchte, wie er ohne Narbe aussah. Vielleicht wollte ich dieses Bild aber auch für mich bewahren. Noch stand die Narbe für mich für die Herzfehler, die OP, die Angst, das Risiko, die Verzweiflung. Heute ist sie für mich seine Superhelden-Narbe, sie steht für Kraft und Freiheit, ohne sie könnte unser Tiger nicht das Leben führen, das er gerade führt. Und dieses Leben ist wild, abenteuerlich und wunderbar!
Aber zurück: Ich verbrachte jede Sekunde mit ihm und versuchte, jeden Gesichtszug einzubrennen. Was, wenn er nach der OP nicht mehr der wäre, der er jetzt ist? Oder eventuell gar nicht mehr ist?